Nachlese zur Exkursion „Zwei Friedhöfe – eine Revolution?“

Ungefähr 255 Grabsteine waren es gewesen, die nach der Märzrevolution, nach den Barrikadenkämpfen vom März 1848 auf dem Gelände im Friedrichshain errichtet worden waren. 70 Jahre später wurde das Gräberensemble durch 29 weitere Grabsteine erweitert. Es handelte sich um die Opfer der Novemberrevolution 1918. Für die Opfer der Januarkämpfe von 1919 sollte es aber keinen Platz auf diesem Friedhof geben, dafür sorgte der Berliner Magistrat. Ebenso wurde den Protagonisten der kommunistischen Bewegung eine Ruhestätte im Friedrichshain verwehrt, sie liegen seitdem auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde.
Jene authentischen Orte der Erinnerung standen im Mittelpunkt eines Workshops, welchen die Geschichtsleistungskurse des 13. Jahrgangs am 21.10. besuchten. In jenem Workshop beschäftigten wir uns mit einzelnen Akteur*innen der Novemberrevolution, sowohl prominenten Vertretern wie Friedrich Ebert oder Karl Liebknecht als auch aus heutiger Sicht eher unbekannten Akteur*innen wie Luise Zietz oder Erich Habersaath. Im Anschluss daran führten die Lernenden eine moderierte Debatte durch, in welcher sie im Stil eines Rollenspiels über die Fortführung der Revolution vs. über die Zusammenarbeit mit den alten Eliten debattierten. Dass einige Tausend Menschen am 20.11.1918 dem Trauerzug folgend, vom Tempelhofer Feld bis in den Friedrichshain zogen, wurde ebenso thematisiert, wie die ideologische Vereinnahmung des Friedhofes in den Jahren bis 1989. Der erinnerungskulturelle Rahmen des Workshops kam ebenso zum Tragen, indem die Schüler*innen vom Friedhof im Friedrichshain zum Zentralfriedhof in Friedrichfelde fuhren, wo am 25.01.1919 neben den Opfern der Januaraufstände auch die ermordeten Galionsfiguren der kommunistischen Bewegung bestattet wurden. Die Leiche von Rosa Luxemburg fand man jedoch erst Ende Mai im Landwehrkanal und so blieb ihr Sarg am 25.01. leer. Am 13.06. hatte Luxemburg dann ihre Ruhe auf dem Friedrichsfelder Friedhof gefunden. In den folgenden Jahren wuchs die Idee, ein Denkmal für die Opfer der Revolution zu errichten. Nach einigen Debatten lieferte Ludwig Mies van der Rohe den entscheidenden Entwurf. „Das wuchtige Bauwerk mit seinen dunklen Klinkern – es misst ca. 12 mal 6 mal 4 Meter – ist nicht nur für die KPD-Anhänger gewöhnungsbedürftig. […] Gegeneinander verschobene Quader verleihen dem wuchtigen Bauwerk eine ungeahnte Dynamik.“ (Dr. Jürgen Hofmann, Begleitheft zum Revolutionsdenkmal, Berlin 2019).
Unter den Nationalsozialisten ist das Denkmal abgerissen und auch die Grabplatten sind entfernt und die Gräber eingeebnet worden. So standen die Schüler*innen an jenem Tag vor einer Leinwand, welche die Größe des Denkmals visualisiert. Im regen Austausch mit Frau Dore und ihrem Team reflektierten wir die inhaltliche Dimension des Mahnmales.
1951 wurde dann im vorderen Teil des Friedhofs die Gedenkstätte der Sozialisten eingeweiht, welche, wie wir vor Ort von Dr. Hofmann erfuhren, bereits vom OB Ernst Reuter angedacht worden war. Nach einem fast sechsstündigen Workshop, welcher um 12 Uhr begann, stand die Besichtigung der Gedenkstätte der Sozialisten noch im Fokus und damit verbunden die kritische inhaltliche Auseinandersetzung mit den bestatteten Personen. Gemeinsam, mit dem aus Potsdam angereisten Dr. Hofmann, wurde abschließend die Ausgangsfrage des Workshops erörtert.
Wir danken der Ausstellungskoordinatorin Frau Dore von der Gedenkstätte Friedhof der Märzgefallenen und ihrem Team für die engagierte und nachhaltige Ausgestaltung des Tages.

Wirres Gedenken

Ein entgrenzter Krieg – reaktionär verharrende Eliten
meuternde Matrosen – revoltierende Arbeiter und Soldaten
ein patriotischer Ebert – ein gnadenloser Noske
ein kompromissloser Liebknecht – eine leidenschaftliche Luxemburg
ein den Dolchstoß schmiedender Hindenburg –
wilde, mordende Freikorps und
ein schreibender Tucholsky inmitten eines demokratischen Aufbruchs.
[R.E.]